#26 Portugal schön und regnerisch
- CamperFan
- 2. Apr.
- 5 Min. Lesezeit

Beinahe zwei Monate sind vergangen, seit wir die Schweiz bei winterlichen Verhältnissen in Richtung Süden verlassen haben. Eigentlich wollten wir schon Mitte Januar in Portugal sein. Aber wie heisst es so schön? «Der Weg ist das Ziel». Italien und vor allem Spanien haben unseren Terminkalender, den es auf solchen Reisen eigentlich gar nicht gibt, über den Haufen geworfen.
Ende Februar überqueren wir zwischen Andalusien und Portugal den Grenzfluss Guadiana. «Bem-Vindo Algarve» steht nach dem Überqueren der imposanten und eleganten Autobahnbrücke in grossen Lettern über der Fahrbahn. Der Himmel ist hier genauso wolkenlos wie zuvor in Spanien. Aber das Klima wirkt fruchtbarer. Mit jedem Kilometer, den wir weiter westwärts fahren, wird die Landschaft üppiger und grüner.

Grosse Orangenplantagen wechseln sich mit Olivenplantagen ab, zwischen deren Bäumen ein gelbes Blumenmeer einen fast schon kitschigen Kontrast zum blauen Himmel bildet. Unser erstes Ziel heisst Tavira. Die Prophezeiung diverser Reisender, die Stellplätze in der Algarve seien rammelvoll, scheint sich schon beim ersten Anlauf zu bewahrheiten: «Sorry, we are full», erklärt der freundliche Rezeptionist. Unsere Strategie, zwischen 10 und 11 Uhr – dem aussichtsreichsten Zeitfenster, um einen freien Platz zu finden – hier zu sein, ist damit nicht aufgegangen. Es geht weiter zum nächsten Platz. Dieser befindet sich einige Kilometer ausserhalb von Tavira. Es klappt. Wir können uns selber einen Platz aussuchen. Und was für einen! Im Gegensatz zur «Batteriehaltung» des zuvor angefahrenen Platzes, steht man hier nicht in Reih und Glied zum Nachbarscamper, sondern individuell zwischen Olivenbäumen. Wir geniessen die Ruhe und die Wärme und lassen nach der erlebnisreichen Anreise erst mal einige Tage die Seele baumeln. Dazu zählen für uns nicht nur Chillen, wie es heute so schön heisst, und Lesen, sondern auch gemütliche Wanderungen und Biketouren.

Das Hinterland wirkt frühlingshaft. Vögel zwitschern und pfeifen um die Wette und Bienen finden in den vielen Blüten schon reichlich Nektar. Auf Strommasten oder Bäumen bereiten Storchenpaare ihre Nester auf den bald anstehenden Nachwuchs vor. Die Luft ist frisch und rein. Mit einem landenden und einem weinenden Auge verlassen wir Tavira in westlicher Richtung.
Unser nächstes Ziel heisst Albufeira. Es gilt sozusagen als touristisches «Epizentrum» der Algarve. Diesen Ruf werden einige Tage später auch wir bestätigen können. Wir lassen uns auf dem örtlichen Camping nieder, der etwas ausserhalb des Zentrums liegt und einen halbstündigen Fussmarsch erfordert, um daselbst hinzugelangen. Mit dem Fahrrad dauert es keine zehn Minuten. Im Gegensatz zu Tavira versprüht die monotone Appartement-Architektur auf den ersten Blick nicht gerade viel Charme. Lediglich der alte Stadtteil lässt so etwas wie portugiesisches Fischerdorffeeling erahnen. Ansonsten erinnern die Strassen und Promenaden mit ihren vielen Souvenirläden, Restaurants und noch mehr Bars und Clubs eher den Ballermann auf Mallorca. Vielleicht auch wegen der vielen Engländer, die hier trotz kühler Temperaturen spätabends immer noch in Shorts, T-Shirts und mit sonnenverbrannten Armen und Beinen beim Bier sitzen und auf grossen TV-Schirmen irgendein Fussballmatch verfolgen. Oder sich in einer Karaoke-Bar in falschen Tönen messen. Wir versuchen, uns zumindest ansatzweise in diesen Tourismusmodus zu versetzen und uns immerhin das vielseitige Angebot zu Nutze zu machen. Dazu gehört beispielsweise wieder einmal der Besuch eines guten «Inders» und eine Bootsfahrt entlang der Küste.

In den internationalen Rankings der schönsten Küsten der Welt schafft es malerische Algarve regelmässig in die Top-Ten. Dieser Eindruck bestätigt sich auch vom Meer aus. Unser Kapitän manövriert das Schlauchboot trotz beachtlicher Brandung gekonnt den Klippen und Felsennadeln entlang und sogar in die engen Höhlen hinein. Hoch oben auf den Klippen tauchen immer wieder Fischer auf, die ihre Angel von den schwindelerregenden Felsvorsprüngen in den Atlantik auswerfen. Nach dem Besuch der bekannten Benagil-Höhle steuert der Kapitän hinaus aufs offene Meer.

Schon bald sind aus der Ferne dunkle Schatten zu erkennen, die auf- und wieder untertauchen. Das Echolot des Schiffes hat einen Schwarm von Delfinen angezeigt, die sich vor der Algarve im Atlantik tummeln. Behutsam nähert sich unser Boot den Tieren, die uns scheinbar unbeirrt oder sogar interessiert verfolgen oder unter dem Boot hindurchschwimmen. Beeindruckend, mal so viele «echte» Flipper auf einmal zu sehen.
Das Wetter präsentiert sich zunehmend regnerisch. Wir nutzen die wenigen sonnigen Tage oder Stunden für Küstenwanderungen und für die Weiterfahrt nach Lagos, Luz und Sagres. Auch dort treffen wir auf zerklüftete Felsküsten mit Bogen, Brücken, Höhlen und malerischen Buchten. Im Gegensatz zu Albufeira besticht Lagos trotz Tourismus immer noch als authentischer Fischerort mit Stadtmauer, dem Castelo dos Governadores, der Kirche Igreia de Santo Antonio sowie schmucken Gassen mit zahlreichen Restaurants und Geschäften.

Am westlichen Ende der Algarve und südwestlichsten Punkt des europäischen Festlandes liegt Sagres. Die kräftigen Westwinde, die vom Atlantik her über die Landzunge wehen, verleihen der Landschaft ihren wilden und kargen Charakter und dem Meer die hohen Wellen. Kein Wunder, tummeln sich im Ort und an den Stränden – trotz Regen und überschaubaren Temperaturen – zahlreiche Surfer. Die Fortaleza de Sagres bildet das Tor zur äussersten Landzunge. Die Festungsanlage war früher noch deutlich umfangreicher. Ein Grossteil wurde 1587 bei einem Piratenangriff und 1755 bei einem Erdbeben zerstört. Der Rundweg auf der Landzunge ist rund zweieinhalb Kilometer lang. Ganz aussen beim Faro befindet sich eine spiralförmige Betonkonstruktion, durch welche man ein Karstloch erreicht. Bricht unten im Loch die Meeresbrandung herein, erlebt man im «Voz do Mar» die «Stimme des Meeres» mit ohrenbetäubendem Donnern hautnah mit. Vor den Toren der Festung befindet sich ein grosser Parkplatz, welcher während der Wintersaison kostenlos zum Übernachten genutzt werden kann. Achtung: Jegliches Campingverhalten wir von der Polizei sofort mit einer Busse geahndet!

Wir fahren der wilden Atlantikküste entlang nordwärts. Allerdings nicht weit. Am Abend sind bereits wieder heftige Regenfälle und Gewitter angesagt. Und so entscheiden wir uns, ganz romantisch, auf einem gut befestigten Aldi-Parkplatz zu übernachten. Wie in anderen Ländern werden solche offiziellen Wohnmobilstellplätze oftmals auch in Portugal angeboten. Bis zum Einbruch der Dunkelheit sind alle sechs Plätze belegt. Als Dankeschön für dieses Angebot gehen wir am Morgen noch kurz einkaufen und fahren dann weiter nach Aljezur. Bevor wir den örtlichen Campingplatz avisieren, geniessen wir in einer Bäckerei einen Kaffee und das portugiesische Nationalgebäck «Pastel de Nataۚ». Die Mini-Törtchen bestehen aus Blätterteig, einer cremigen Füllung aus Eigelb, Zucker, Rahm sowie Mehl und schmecken himmlisch. Vor allem, wenn man sie noch mit einer Prise Zimt bestreut. Im Gegensatz zur Algarve sind die Campingplätze hier an der Westküste deutlich weniger frequentiert. Vorreservationen sind um diese Jahreszeit nicht notwendig. Dies, obwohl das Freistehen vor allem im Süden Portugals schwierig und vielerorts verboten ist. Mittlerweile ist Wohnmobilen und Wohnwagen oftmals sogar das Befahren der Küstenstrassen untersagt. Wie in Foren und Stellplatzapps zu lesen ist, werden die Strafgelder nicht nur angedroht, sondern tatsächlich auch regelmässig eingefordert.

Ein Zwischenhoch mit Sonne und Wärme lädt am nächsten Tag zu einer Biketour durch den «Parque Naturel do Sudoeste Alentejano e Costa Vicentina». Dieser zieht sich auf einer Länge von rund 130 Kilometer von Sagres bis nach Sines hoch. Das weitläufige und steppanartige Hinterland grenzt an bewaldete oder verbuschte Dünen oder direkt an die wilde Atlantikküste. Für die Rückfahrt zum Campingplatz bietet sich das malerische Flusstal des Ribiera de Aljezur an, dessen sanfte Flanken von Olivenhainen gesäumt sind. Am nächsten Tag fahren wir – zur Abwechslung wieder mal bei Regen – weiter nordwärts nach Vila Nova de Milfontes.

Hier geniessen wir in einer trockenen Phase den weitläuftigen Strand von Furnas und den Blick auf die weisse Stadt, die am gegenüberliegenden Ufer des Rio Mira auf einer Anhöhe liegt. Bevor wir weiter nordwärts nach Lissabon fahren, prüfen wir nochmals ausgiebig unsere Wetter-Apps. Die Prognosen für die kommenden Tage sehen für Portugal und den gesamten Westen der Iberischen Halbinsel weiterhin düster aus. Sturm, Gewitter, Regen und sogar Wetterwarnungen sind angesagt. So lassen wir unsere Reisepläne ein weiteres Mal fallen und entscheiden uns für die Rückkehr nach Spanien ans Mittelmeer.
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